Geschichte

Die Seeschlacht von Lissa



Wenn man von der österreichischen Kriegsmarine spricht, gerät man leicht in Gefahr, ein spöttisches Schmunzeln beim ge­schichtsunkundigen Gesprächspartner zu ern­ten. Tatsächlich hatte es aber bereits im 16. Jahr­hun­dert eine Donauflotille gegeben, die als Abwehr gegen die Osma­ni­schen Fluss­streit­kräfte dienen sollte.
Unter Kaiser Joseph II. (dem Sohn Maria The­resias) kam es dann 1786 zur Grün­dung einer österreichischen, zunächst ziem­lich über­schau­baren Kriegsmarine. Als aber mit dem Frieden von Cam­po­formio im Jahr 1797 Venedig, Istrien und Dalmatien in ös­ter­rei­chi­schen Besitz ka­men, kam die ve­ne­zia­ni­sche Flotte mit dazu. Somit besaß Österreich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine starke Mittelmeerflotte.
Sie wurde als öster­reichische Kriegs­ma­ri­ne, spä­ter, nach dem Ausgleich mit Ungarn, k. u. k. Kriegsmarine be­zeich­net. Von 1857 bis 1859 gab es sogar eine Welt­um­se­ge­lungs­mission der Österreichischen Kriegsmarine, die No­vara-Expedition. Auf ihrem Höhepunkt vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs galt die Ös­ter­reichischen Kriegsmarine als die sechst­größte Marine der Welt.
Siehe die Schiffe der K-u-K- Kriegsmarine auf alten Fotos.
Schiffsmodell der SMS Custoza
Im Jahr 1866 trieben die Preußen Österreich in einen Krieg um die Vor­herr­schaft im deutschen Raum, den sogenannten Deutschen Krieg. Ur­sprüng­lich als Preu­ßisch-Deutscher Krieg bezeichnet war es ein Krieg des Deut­schen Bundes unter Führung Österreichs gegen Preußen und dessen Ver­bündeten (unter denen das Königreich Italien).
In der Schlacht bei Königgrätz (in Böh­men) trafen am 3. Juli 1866 die Trup­pen Preu­ßens auf die Armeen Österreichs und Sachsens. Es kam zu ei­nem der triumphalsten Siege in der preußischen Geschichte. Das Öster­rei­chisch-Sächsische Heer wurde vernichtend geschlagen.
Das erst seit einigen Jahren bestehende Kö­nig­reich Italien hatte sich mit Preu­ßen verbündet, um in den Besitz der Adria-Küs­ten­län­der und Südtirols zu kommen. In der italienischen Ge­schichtsschreibung wird der „Deutsche Krieg“ als „Drit­ter Un­ab­hän­gig­keits­krieg“ bezeichnet.
An der zweiten Front, gegen Italien, verlief der Krieg für die Österreicher we­sent­lich er­folg­reicher. Erzherzog Albrecht besiegte am 24. Juni 1866 in der Schlacht bei Cus­toz­za (ital. Battaglia di Custoza) an Land die dop­pelt so starke italienische Armee. Auf See be­sieg­te Wilhem von Te­gett­hoff, Kon­ter­ad­mi­ral der österreichisch-un­ga­ri­schen Kriegs­ma­ri­ne, am 20. Juli 1866 die über­le­ge­ne ita­lie­nische Flotte bei Lissa.
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Die Schlacht bei Lissa
Das junge Königreich Italien hatte kurz nach seiner Gründung begonnen, eine massive See­streitmacht aufzubauen, mit dem Ziel, die Ös­ter­rei­cher länger­fris­tig aus der Adria zu vertreiben. Um bei den nach der Schlacht bei Königgrätz zu erwartenden Frie­dens­ver­hand­lun­gen eine bessere Aus­gangs­po­si­tion zu be­kommen, sollte mit der Einnahme einzelner Adria-Gebiete be­gonnen werden.
Der Kommandeur der ita­lie­nischen Flotte, Admiral Carlo Per­sano, war aber zunächst sehr zö­ger­lich, was sehr kritisiert wurde. Der Ober­be­fehls­ha­ber der Marine befahl ihm deshalb, un­be­dingt etwas zu unternehmen. So fass­te Per­sa­no den Entschluss, die Insel Lissa an der dalma­ti­ni­schen Küste, auch „Gi­bral­tar der Adria“ ge­nannt, einzunehmen.

Österreichs Helden zur See
Seekriege
Geschichte(n) der Seefahrt, Band 2: Schiffsschicksale und Schiffstypen
Österreichs Hel­den zu See: Ka­pi­tä­ne, For­scher, Ent­decker Geschichte der See­kriege Geschichte(n) der Seefahrt, Schiffs­schicksale und Schiffstypen

Die italienische Flotte griff Lissa am 17. Juli an. Am 20. Juli war die Lage der Ver­teidiger bereits kritisch. Die Landung der Italiener stand kurz bevor.
Als Tegetthoff telegrafisch von der Situation er­fuhr, handelte er schnell: In der Nacht vor dem 20. Juli ließ er die österreichische Flotte mit vollen Segeln Rich­tung Lissa fahren.
Am 20. Juli 1866 kam es vor Lissa zur Schlacht. 27 österreichische Schif­fe, davon 7 Panzerschiffe, und 34 italienische Schiffe, davon 12 Panzer­schif­fe, standen sich gegenüber. Die Schlacht dauerte von sieben Uhr mor­gens bis fünf Uhr nachmittags.
Die Schlacht von Lissa war nach Trafalgar die bedeutendste Seeschlacht des 19. Jahr­hun­derts. Es war auch die letzte Seeschlacht, in der Pan­zer­schiffe auf Holzschiffe trafen und Schiffe mit Takelage eingesetzt wurden, und gleich­zeitig eine Schlacht, in der zum ersten Mal Pan­zer­schif­fe in großer Zahl auf­einander trafen. Tegetthoff hatte zwar die Holzschiffe mit Ei­sen­bahn­schie­nen be­plan­ken und an ihnen Eisen­ketten befestigen lassen, um die Ka­no­nen­ku­geln abbremsen zu können, aber dies galt vor allem, um die Moral der Mann­schaft zu stärken.
Tegetthoff hatte den Entschluss gefasst, genau so zu segeln, wie er zu kämp­fen dachte. Die ös­ter­reichische Flotte segelte in Drei­ecks­for­ma­tion. Das erste Dreieck bestand aus sieben Pan­zerschiffen, das zweite aus sechs Holz­fre­gat­ten und das dritte aus sieben Kanonenbooten.
Um 10:30 Uhr standen sich die beiden Flotten sehr nahe. Die Italiener hatten die Absicht, die österreichische Flotte zu umzingeln und die Holz- von den Panzerschiffen zu trennen. Admiral Te­getthoff durchblickte aber diese Taktik und be­fahl, die Geschwindigkeit zu er­hö­hen und „Dis­tanzen schließen – den Feind rammen“. Mit seinem Flagg­schiff SMS Erzherzog Ferdinand Max rannte er direkt auf eine Panzerfregatte los, rammte sie und zwei weitere. Bei der vierten großen Panzerfregatte Re d'Italia erreichte er, dass dieses Schiff mit über 700 Mann Be­sat­zung in weniger als 5 Minuten sank.
Die Re d'Italia mit schwerer Schlagseite nach dem Rammstoß der „SMS Erzherzog Ferdinand Max“
Tegetthoff sig­na­li­sierte seinen Panzerschiffen, sich ihm anzuschließen. Damit war auch die Linie der Italiener durchbrochen und die ös­ter­rei­chi­sche Flotte drang dichtgedrängt durch. Nach zehn Stunden Kampf, Schiff gegen Schiff, zog sich die italienische Flotte Richtung Ancona zurück. Auf der österreichischen Seite gab es 35 Tote und 140 Verwundete, auf der italienischen 600 Tote und 200 Verwundete.
Nach diesem Sieg wurde Tegetthoff zum Vizeadmiral befördert und bekam die höchste Militärauszeichnung - das Kommandeurkreuz des Militär-Maria-The­re­sien-Ordens. In Wien und zahlreichen weiteren Städten wurde er zum Ehrenbürger.
Wegen des Sieges Preußens bei Königgrätz musste Österreich beim Frie­dens­vertrag von Wien (12. Oktober 1866) trotz seiner militärischen Erfolge gegen Italien Venetien an dieses abtreten. Die beiden Siege (Custozza und Lissa) verhinderten aber, dass Österreich auch das Küstenland (Triest, Istrien), Dal­matien und Südtirol verlor.
 
 
Rammkurs <em>Lissa</em>. Berichte der Kommandanten zur Seeschlacht 1866. <em>Tegetthoff</em>
Rammkurs Lissa: Be­rich­te der Kom­man­dan­ten zur See­schlacht 1866
Geschichte Österreichs
99 Fragen an die Ge­schich­te Ös­ter­reichs