Geschichte

Die Tragödie von Mayerling

 

„Ein furchtbares, entsetzliches, nie­der­schmet­tern­des Unglück hat sich ereignet. Kronprinz Rudolf, der Erbe des Thrones, die Hoffnung der Dynastie und des Reiches, ist tot!“, so schrieb die Neue Freie Pres­se im Abendblatt des 30. Jänner 1889. Das ganze Land gerieht in Aufruhr.
An je­nem Tag war es auf dem Jagd­schloss Ma­yer­ling in Nie­der­ös­ter­reich zu dem ge­kom­men, was als Tra­gö­die von Ma­yer­ling in die Ge­schich­te ein­ge­gan­gen ist. Un­ter auch heu­te noch un­ge­klär­ten Um­stän­den star­ben hier Kron­prinz Ru­dolf von Habs­burg und sei­ne Ge­lieb­te Ma­rie Ale­xan­dri­ne Frei­in von Vet­se­ra. Die Ge­denk­stätte an diesem dra­ma­tisch­sten Ort Ös­terreichs zählt heute mit mehr als 100.000 Besuchern pro Jahr zu den meist­be­such­ten Kul­tur­gütern Nie­der­österreichs!

Zunächst dachte man an einen Unfall, aber bald verbreiteten sich wie ein Lauf­feuer die Gerüchte über einen Selbstmord, gar um einen Mord, über einen Liebestod. Dass eine junge Frau, die 18-jährige Mary Vetsera, mit in den Tod gegangen war, sprach sich auch bald herum, obwohl die Presse nichts davon berichtet hatte.
Die Mauer des Schweigens, die die Familie Habs­burg um den rätselhaften Tod des Kron­prin­zen errichtete, begünstigte die Entstehung von Le­gen­den: Vom Selbstmord aus Liebe bis hin zum po­li­tischen Mord wurden zahlreiche Deu­tun­gen der Tragödie von Mayerling in die Welt lanciert.
Das Jagdschloss Mayerling 1887

Kronprinz Rudolf Franz Karl Joseph von Habsburg (geb. am 21. August 1858 in Laxenburg, gest. am 30. Jänner 1889 in Mayerling) war der ein­zige Sohn von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich und Kaiserin Elisabeth (Sissi) und der Thron­erbe des Hauses Habsburg.
Maria Alexandrine Freiin von Vetsera, genannt Mary (geb. am 19. März 1871 in Wien, gest. am 30. Jänner 1889 in Mayerling) war eine ös­ter­rei­chi­sche Ade­lige, Tochter von Baron Albin Vetsera und seiner Gattin Helene Baltazzi.
Bis kurz vor Rudolfs sechstem Geburts­tag sorgte Freifrau von Weiden für die Er­zie­hung des Klei­nen Erz­her­zogs. Im Ju­li 1864 wur­de Graf Leo­pold Gond­re­court zum Er­zie­her des Kron­prin­zen er­nannt. Der al­te Hau­de­gen be­ab­sich­tig­te, den Kron­prin­zen mit dra­ko­ni­schen Er­zie­hungs­maß­nah­men „ab­zu­här­ten“, um aus ihm ei­nen gu­ten Sol­da­ten zu ma­chen, wie Ru­dolfs Vater es gewünscht hatte. Seine Methoden aber – er weckte beispielsweise gelegentlich das Kind mit Pistolenschüssen oder ließ es in einem Wald plötzlich allein – gefährdeten nur die physische und psychische Gesund­heit des Kronprinzen.
Dank der In­ter­vention Kaiserin Elisa­beths wurde diese Art von Ausbildung ab­ge­bro­chen und es wurden seine na­tur­wis­senschaftlichen Neigungen ge­för­dert, da sie Joseph Graf Latour von Thurm­burg zu seinem Erzieher bestimmte. Rudolf war ein wiss­be­gie­riges und lerneifriges Kind und von schneller Auffas­sungs­ga­be. Von Thumberg wurde für ihm zu einem Erstatzvater. Der Tenor der Er­zieh­ung war überwiegend liberal und bürgerlich.
Rudolf stand häufig mit seinem Vater in Konflikt, da seine Ansichten – ganz im Gegensatz zum konservativen Kaiser – liberal, antiklerikal und sehr kritisch ge­genüber der Aristokratie waren. Deshalb fühlte er sich am kaiserlichen Hof und in den kon­servativen Regierungskreisen sehr isoliert. Ru­dolf ver­ehr­te zwar sei­nen Va­ter, aber die­ser hat­te we­nig Ver­ständ­nis für sei­nen Sohn. Nach dem Sieg Preu­ßens ge­gen Ös­ter­reich im Jahr 1866 bei Kö­nig­grätz wuchs beim Kron­prin­zen das Miss­trau­en ge­gen­über Preu­ßen und Deutsch­land. Er sah die Zu­kunft der Mo­nar­chie mehr im Os­ten und ver­spür­te bald, auch un­ter dem Einfluss der Mutter, eine starke Zuneigung für Ungarn.
Im Jahr 1880 verlobte sich Kron­prinz Rudolf mit Prin­zes­sin Ste­phanie, Tochter des bel­gischen Königs Leopold II. Am 10. Mai 1881 fand, auch auf Druck des Kaisers, die Hochzeit statt. Mit seiner Frau lebte Rudolf einige Zeit in Prag, wo es wie­der­holt zu Auseinan­der­setz­ungen kam. An­läss­lich der Geburt ihrer Tochter Elisabeth Marie (am 2. September 1883) kehrte er nach Wien zu­rück. 1886 erwarb Rudolf das seit 1550 im Besitz des Stifts Heiligenkreuz be­find­li­che Anwesen in Mayerling und ließ es zum Jagd­schloss umbauen.
Im Herbst 1888 lernte Rudolf anlässlich eines Pferderennens die damals erst 17 Jahre alte Ba­ronesse Mary Vetsera kennen. Mary schwärmte, wie viele Mädchen jener Zeit, für Kronprinz Rudolf und verliebte sich sofort in ihn. Als ihrer Mutter ihre Schwärmerei auffielen, unternahm sie, um die Tochter ab­zu­lenken, eine Englandreise mit ihr.
Schloss Mayerling - Originaleinrichtung aus jener Zeit
Das half nichts. Nach einem Briefwechsel war es vermutlich in den ersten No­vembertagen 1888 zum ersten privaten Treffen mit dem Kronprinzen in der Wiener Hofburg gekommen. Diesem folgten bis zum 28. Jänner noch etwa 20 weitere Treffen, die von Rudolfs Cousine, Gräfin Larisch, arrangiert wurden und von Rudolfs Leibfiaker Josef Bratfisch und der Zofe Marys Agnes Jahoda unterstützt wurden.
Dann die Tragödie: Am Morgen des 30. Jän­ner 1889 wurde der ös­ter­rei­chisch-un­ga­ri­sche Thronfolger Kronprinz Rudolf von Habsburg zu­sammen mit seiner Geliebten Maria von Vetsera auf seinem Jagdschloss in Mayerling tot auf­ge­funden.

 
Kronprinz Rudolf
  Kronprinz Rudolf Frauen um Kron­prinz Ru­dolf: Von Kai­se­rin Eli­sa­beth bis Ma­ry Vetsera  

Laut mancher Filmversion war es das tra­gische Ende einer ro­man­ti­schen Lie­be. Man bedenke aber, dass Rudolf die letzte Nacht vor der Tragödie bei sei­ner langjährigen Geliebten Mizzi Kaspar verbracht hatte, einer Edelhure (man sagte in Wien damals "Soubrette" dazu), die eine wirk­liche Freundschaft zum Kronprinzen pflegte, und von diesem auch in seinem Testament mit 30.000 Gulden bedacht wurde. In Wahrheit war Rudolf schon seit längerem ver­zwei­felt und lebensüberdrüssig und spielte mit dem Ge­dan­ken an Selbstmord. Offen­sichtlich sah er keinen Ausweg mehr als den Tod. Er wollte sich zu­nächst zu­sammen mit Mizzi umbringen, doch sie dachte nicht daran, mit ihm in den Tod zu gehen. In Maria Vetsera fand Rudof schließlich das willige Opfer, eine Frau, die bereit war, mit ihm ge­mein­sam zu sterben.

Im Überwachungsprotokoll der Polizei war zu le­sen: "Als sich Kronprinz Rudolf von Mizzi emp­fahl, machte er ganz gegen seine Gewohnheit ihr an der Stirne das Kreuzzeichen. Von Mizzi fuhr er (di­rekt?) nach Mayerling.
Kronprinz Rudolf auf dem Totenbett
Kronprinz Rudolf wurde am 5. Feber in der Ka­pu­zi­nergruft in Wien bei­ge­setzt. Der Leichman Mary Vetseras wurde hingegen unauffällig aus dem Jagd­schloss entfernt und auf dem Friedhof bei Stift Heiligenkreuz (im Wie­ner­wald) heimlich begraben.
Die näheren Umstände sind bis heute ungeklärt, weil der Wiener Hof Schlüs­sel­do­ku­men­te ver­nich­tete und Zeitzeugen zum Schweigen gezwungen wurden oder widersprüchliche Aus­sa­gen machten. Die toll­patschigen Versuche des Hofes, das Geschehene zu vertuschen, waren der Anlass für unzählige Ge­rüch­te. Nach dem aktuellen Stand des Wissens ist es am Wahr­schein­lichs­ten, dass der von De­pres­sio­nen geplagte Rudolf zunächst seine Geliebte erschoss, und sich dann selbst durch einen Kopfschuss tötete. Der Suizid des Thron­fol­gers erschütterte das Vertrauen in die habsburgische Monarchie.
Abtransport des toten Kronprinzen aus seinem Jagdschloss in Mayerling
Kaiser Franz Joseph war erschüttert und zutiefst betroffen. Er beschloss un­mittelbar, Mayerling in ein Karmeliterinnen-Kloster umzuwandeln. Er ließ das Jagdschloss noch im selben Jahr dem­ent­spre­chend umbauen. Das Schlaf­zim­mer Rudolfs wurde abgerissen und an seiner Stelle eine Kirche dem Gebäude angefügt. Das Altar dieser Kirche befindet sich exakt an der Stelle, wo das Bett stand, auf dem Rudolf und Mary starben. Kaiserin Elisabeth war nicht weniger wegen des Verlusts ihres ein­zi­gen Sohns betroffen. Bis zu ihrem Tod trug sie von da an nur noch schwarze Trauerkleidung.
Die über dem Ort des Todes errichtete Kirche
Damit Rudolf mit allen kirchlichen Würden be­graben werden konnte, musste ein Gutachten des untersuchenden Arztes bestätigen, dass die Tat in einem Zustand von Geistesverwir­rung ge­schehen war, denn ein geistig Verwirrter gilt vor der Kirche nicht als Selbstmörder.
Dem Bericht des Arztes zufolge soll Mary Vetsera von Kronprinz Rudolf er­schos­sen worden sein. Ob die Baronesse allerdings tatsächlich durch einen Kopfschuss starb, blieb lange Zeit ungewiss. Im Jahr 1945 wurde die Gruft von sowje­ti­schen Sol­daten geplündert. Bei einer späteren Um­bes­tat­tung (1959) soll von allen Anwesenden bestätigt worden sein, dass am Mary von Vetseras Schädel keine Schussverletzung zu sehen war.
Schloss Mayerling heute

Es mussten mehr al 100 Jahre vergehen, bevor die sterblichen Überreste von Mary Vetsera auf einen Sezier­tisch kamen, denn sie war ohne Un­ter­su­chung bestattet worden. 1992 wurde wegen eines angeblichen Grabraubs die Gruft im Beisein des Fernsehens und der Presse geöffnet. Zur großen Über­ra­schung fand man im Sarg aber keine Ge­bei­ne. Sie waren von einem am Mayerling-Mythos interessierten Mann, dem Linzer Mö­bel­händ­ler Hel­mut Flatzelsteiner, ge­stoh­len und dem Journalisten Georg Mar­kus gebracht worden. Flatzelsteiner brachte mehrere Kisten, in denen sich neben langem, dunklen Haar Teile ei­nes schwe­ren Winterstoffes, dicke, dunk­le Schnüre, mehrere Gebeine und ein skelettierter Schädel befanden. Diese Gegenstände wurden in der Wiener Ge­richtsmedizin untersucht. Aufgrund der Ver­let­zungen konnte man fest­stellen, dass Mary Vetsera tat­säch­lich durch einen Kopfschuss ge­stor­ben war, was bis zu diesem Zeitpunkt nicht nach­ge­wiesen worden war.

Film "Kronprinz Rudolfs letzte Liebe" (1956)

Die Familie Baltazzi-Vetsera wollte die DNA-Ana­lyse zur Feststellung der Iden­tität der Gebeine nicht er­lauben, jedoch ist aufgrund der Ergebnisse der Un­ter­suchungen sehr wahrscheinlich, dass es sich tatsächlich um die Über­res­te von Maria Vetsera handelt.

Eine Untersuchung der Überreste Rudolfs könnte zwar ein für alle Male den Fall Mayerling aufklären, aber das ließ Otto von Habsburg nicht zu. An­geb­lich befindet sich im Be­sitz der Fa­mi­lie Habs­burg ei­ne Scha­tul­le mit der Pis­to­le, den Pa­tro­nen­hül­sen und einigen weiteren Beweisstücken des Ver­brechens.

BUCHEMPFEHLUNG:
Das Mayerling-Netz
Das Mayerling-Netz: Verborgene Zu­sam­menhänge entdeckt Was der Badener Histori­ker Dr. Rudolf R. Novak in diesem Buch über die Mayer­ling-Tra­gödie und de­ren verbor­genen Zusam­men­hänge entdeckt hat, ist beein­dru­ckend. In akri­bischer For­schungs­arbeit – zum Teil anhand von bisher nicht oder kaum be­kann­ten Doku­menten – ist es dem Autor gelungen, de­tailliert über das Drama und die be­trof­fenen Per­sonen und ihren Fami­lien zu berichten.

Und wieder ein kleiner Baustein auf dem Weg zur historischen Wahrheit: Im Safe der Schoellerbank wurde 2015 bei einer Archivrevision ein Ver­wahr­stück aus dem Jahr 1926 entdeckt: Eine un­be­kannte Person hatte in einem Leder­ein­band zahl­rei­che Lebensdokumente, Briefe und Foto­gra­fien der Fa­mi­lie Vet­se­ra de­po­niert, da­run­ter Ab­schieds­brie­fe von Mary Vetsera aus dem Jahr 1889, die bislang als vernichtet galten.
Dazu gesellt sich ein seit Kurzem aufgetauchter Brief, der die Selbstmord-Theorie untermauert. Es handelt sich um einen Brief vom 12. Februar 1889, dessen Absender Theodor Weber war, ein Hof­be­amter. Am 30. November wird der Brief im Palais Dorotheum in Wien zur Auktion gelangen. An der wahren Todesursache gibt es für den Beamten keinen Zweifel.
 
 
Der Kronprinz - Die wahre Geschichte von Sissis einzigem Sohn
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