Ich muss etwa
fünf Jahre alt gewesen sein. Wir lebten damals
in St. Lorenz, einem kleinen Ort unweit vom Mondsee,
im Salzkammergut. Wir Kinder warteten bereits gespannt
auf den Nikolaus, und eine subtile Erregung lag in der Luft.
Draußen war es eisig und bereits dunkel, als unheimliche
Geräusche in die Küche drangen, ein Rasseln von Ketten
und undefinierbarer Lärm, was mir, obwohl so viele Jahren vergangen sind,
unauslöschlich im Gedächtnis geblieben ist.
Alpen Dämonen:
Geheimnisvolle Mythen
und Riten aus den Bergen
Weihnachtsbräuche
in Österreich
Der Krampus ist im alpenländischen
Brauchtum eine Schreckgestalt der Adventszeit, die den
Heiligen Nikolaus begleitet. Während der Nikolaus die braven
Kinder beschenkt, werden die unartigen vom Krampus, dem bösartigen
Widerpart des Nikolaus, bestraft. Bis zur Hälfte des 20.
Jahrhunderts war dieser Aspekt des Krampus als Schreckgestalt
mit geschwärztem Gesicht, der den unartigen Kindern Prügel
androhte, viel stärker betont.
Vielerorts wird heute
noch den kleineren Kindern mit Sprüchen wie "Wenn du nicht
brav bist, kommt der Krampus und nicht der Nikolaus zu dir" damit
gedroht, damit sie sich wieder brav verhalten. So ist das
teilweise in Bayern und Tirol heute noch üblich. Die Figur
des Krampus (wenn auch anders genannt) ist auch in Ungarn, Tschechien,
Teilen Norditaliens und Teilen Kroatiens bekannt. Der Krampus
hat heute vielfach die Form der früheren Perchtengestalten
angenommen.
Der Name leitet sich vom altdeutschen Krampen =
"Kralle" oder vom bairischen "Krampn" = etwas Lebloses, Vertrocknetes oder Verblühtes ab.
Im bayerischen Alpenvorland und im österreichischen Salzkammergut
ist der Krampus eher unter der Bezeichnung "Kramperl“
geläufig.
Im
Salzkammergut kommt auch die vom Namen "Nikolaus"
abgeleitete Bezeichnung "Niklo"
vor. Der Krampusbrauch war ursprünglich in
ganz Österreich verbreitet und wurde dann zur Zeit der
Inquisition verboten, da es bei Todesstrafe
niemandem erlaubt war, sich als teuflische Gestalt zu verkleiden.
Jedoch wurde dieser Winterbrauch in manchen schwer zugänglichen
Ortschaften weitergeführt. Die Vorläufer der
heutigen Krampusse waren, unter den Namen "Teufel",
die Begleiter des Nikolausspieles. Ausgehend von den Klosterschulen
(Kinderbischofsfest) hatte sich seit Mitte des 17. Jahrhunderts
der Einkehrbrauch entwickelt: Von Schreckgestalten
begleitet prüft und beschenkt der Heilige Nikolaus die Kinder, während die Unartigen vom "Teufel"
bestraft werde.
Auch solche Volksbräuche wurden häufig
von kirchlicher und weltlicher Obrigkeit verboten,
denn man hielt sie für unzeitgemäß und sah
in ihnen Anlass für Streitigkeiten und Unmoral. Früher
waren nämlich die Krampusse auch ein Element der
sozialen Kontrolle. Sie rügten die Sitten der Bevölkerung,
bestraften geizige Bäuerinnen und zu strenge Dienstherren.
Oft stellten sie auch der Obrigkeit "die Rute ins Fenster".
Im Zeitalter der Aufklärung sah man in diesen
Bräuchen einen Ausdruck der Rückständigkeit
und eine Untergrabung von Sitte und Ordnung. Doch die Bräuche
fanden weiter im Geheimen statt und wandelten sich stetig
und verschwanden schließlich ganz. Um 1900 entdeckten
und veränderten folkloristische, soziale und wirtschaftliche
Bestrebungen die Bräuche wieder.
In Österreich wird heutzutage der hl. Nikolaus, der
am 6. Dezember die Kinder beschenkt, von Krampussen begleitet. Diese zotteligen Wesen sehen in ihren Fellkostümen
und kunstvoll geschnitzten Holzmasken ganz furchterregend
aus. Große Glocken, die die Krampusse an Ketten um die
Hüften gebunden haben, kündigen die finsteren
Gestalten schon von weitem an. Unter den Krampus-Masken verstecken
sich meist Jugendliche, die großen Spaß daran
haben, Passanten zu erschrecken und Gleichaltrigen mit ihren
Ruten hinterher zu jagen. Dabei machen sie von ihren langen
Ruten auch regen Gebrauch. Wobei mancherorts seitens
der Kinder eine Mutprobe erfolgt, in dem sie versuchen,
die Krampusse zu reizen, ohne erwischt oder geschlagen zu
werden.
Moderne Zeiten: Rund um die Krampusläufe werden Angstbewältigungsseminare für die Bevölkerung angeboten, die Krampusse selbst müssen sich mancherorts einem Verhaltenskodex unterwerfen, der Alkoholkonsum und das Schlagen von Passanten verbietet.
Krampus in Bad Hofgastein
Der Krampus-Tag ist traditionell der
5. Dezember, während das Fest des Heiligen Nikolaus der 6. Dezember ist; üblicherweise erscheinen aber
beide Gestalten gemeinsam am Abend des 5. Dezembers teils auch am 6. Dezember.
Bekannte und eindrucksvolle Krampusumzüge finden in
Osttirol statt (dort nennt man den Krampus "Klaubauf"),
im angrenzenden Kärnten und in Salzburg. Einer der
größten Umzüge mit über eintausend Krampussen
(2008) war der Krampuslauf in St. Johann im Pongau. In Italien
beschränkt sich der Krampus-Brauch hauptsächlich
auf Südtirol.
Krampusse trifft man nicht nur Anfang Dezember nach Einbruch
der Dunkelheit auf den Dorfstraßen, sondern auch
bei großen Krampusläufen, wo mehrere
hundert Krampusse durch die Fußgängerzonen der
Altstadt jagen, ein Beweis mehr, dass sich der echte Brauch
in eine reine Folklore-Show verwandelt hat.
Krampus in Gastein 2011
In diesem Brauch ist nicht
nur der in der christlichen Kultur verankerte Gegensatz
zwischen dem guten (belohnenden) Nikolaus und dem bösen
(bestrafenden) Krampus zu sehen, also der "schwarzen"
Pädagogik, es wurzeln hier vielmehr auch Reste eines heidnischen
Perchtentreibens. Das Treiben der maskierten Perchten und Krampusse gehört auch zum großen Kontext des Sich-Maskierens,
das mit bestimmten Freiheiten und Lizenzen verbunden ist. Solche
vorübergehende Umkehrungen vom Normalen zum Über-die-Stränge-Schlagen,
finden sich in vielen Kulturen. Darüber hinaus stecken
in dieser Figur auch magische Fruchtbarkeits- und Winteraustreibe-Riten
der vorchristlichen Kulturen.
Wie sehr die Figur des
Krampus in tiefem Aberglaube verwurzelt ist, lässt folgende
Legende erahnen: "Irgendwo in einem Ort in Österreich
lebte ein unglückliches Ehepaar, das ein Kind hatte, welches
niemals gehorchen wollte und ihnen deshalb sehr viel Verdruss
machte. Selbst die Drohungen der Mutter, das Kind würde
vom Krampus geholt, wenn es nicht folgsam sein wollte, konnten
daran nichts ändern. Am Abend des Heiligen Nikolaus kam
ein furchtbar hässlicher Krampus ins Haus, der die
Eltern fragte: 'Darf ich dieses böse Kind mitnehmen?"
Die Eltern, die keinen Krampus bestellt hatten, meinten, es
handle sich um einen Nachbarn, der sich einen Spaß machen
wollte, und antworteten: 'Ja!' Der Krampus fragte noch
einmal, ob er das Kind mitnehmen dürfe, und wieder erlaubten
es die Eltern. Daraufhin fragte der Krampus ein drittes Mal:
'Darf ich es wirklich mitnehmen?' Als die Eltern es zum dritten
Mal erlaubten, nahm der Krampus das Kind mit sich und ging zur
Tür hinaus. Als die Eltern einen herzzerreißenden
Schrei von draußen hörten, liefen sie sofort hinaus,
um nachzusehen, wohin der Krampus mit dem Kinde gegangen sei.
Aber vom Kind war nichts zu sehen. Auf dem frisch gefallenen
Schnee waren auch keinerlei Spuren zu erkennen. Das Kind
blieb für immer verschwunden."
Leider degeneriert der Brauch immer mehr zum reinen Schaulaufen.
Anfang Dezember 2012 fand in Gnigl der 39. Gnigler Krampuslauf statt. 39 Passen mit rund 800 Aktiven nahmen daran teil. 10.000
Zuschauer – das Auto macht's möglich! – konnten das Großereignis miterleben!
Weihnachtsbräuche in Österreich
Sankt Martin, Nikolaus & Co: Mit Kindern Wintertage feiern und gestalten