Geschichte

Vorderösterreich, Habsburg nordwestlich von Tirol



Mit dem Begriff „Vorlande“ (später „Vor­der­ös­terreich“) werden alle habs­bur­gischen Be­sitz­un­gen nordwestlich von Tirol bezeichnet. Dazu zählten Er­werbungen aus über fünf Jahr­hun­der­ten: Alt-Vorderösterreich (die Ortenau), Schwä­bisch-Österreich und die vorarlbergischen Herr­schaf­ten „im Wal­gäu“. Scherzhaft sprach man von der „Schwanz­fe­der des Kaiseradlers“.
Zur Übersichtskarte (um 1780)
Der älteste Habsburger Besitz lag im Elsass, im Sundgau und in der Nord­schweiz, wo die namengebende Burg Habsburg liegt (im heutigen Kan­ton Aargau).
Durch die Niederlagen von Morgarten 1315 und Sempach 1386 gingen die Stammlande der Habsburger im Süden verloren.
Freiburg im Breisgau begab sich 1368 freiwillig unter den Schutz des Hauses Habsburg. Nach dem 30jährigen Krieg wurde Freiburg auch Sitz der vorderösterreichischen Regierung.
Der Hauptteil des Gebietes der Habsburger waren nun der Sundgau (das süd­liche Elsass) und der Breisgau. Lose verbunden waren zerstreute Be­sitzungen in Oberschwaben, die größte davon die Markgrafschaft Bur­gau. Geistiges und kulturelles Zentrum stellte die meiste Zeit die Stadt Freiburg im Breisgau dar.
Im 14. Jahrhundert kamen Feldkirch (1374), die Grafschaft Ehingen-Schelklingen-Berg an der Donau (1343) und die Graf­schaft Ho­hen­berg am oberen Neckar (1381) dazu. 1324 erwarb Herzog Albrecht II. durch seine Heirat mit Johanna von Pfirt die Graf­schaft Pfirt, womit sich die elsässischen Besitzungen über die ganze burgundische Pforte hinweg aus­dehn­ten. Nach 1415 gehörten die habsburgischen Besitzungen westlich des Arl­bergs zur Graf­schaft Tirol, woraus die Bezeichnung kam „Tirol und die Vorlande“.
Das Große Lan­des­wap­pen Ba­den-Würt­tem­bergs zeigt im Schild­haupt die Wap­pen der sechs wich­tigs­ten süd­west­deut­schen Vor­gän­ger­ter­ri­to­rien, un­ter die­sen der rot-weiß-rote Bin­den­schild, der da­ran erin­nert, dass gro­ße Tei­le des heu­ti­gen Bun­des­lan­des ein­mal zum Hau­se Habs­burg gehört haben.
Mit dem Westfälischen Frieden fiel 1648 das habsburgische Elsass, hier vor allem der Sundgau, und auch Breisach rechts des Rheins an Frankreich.
1753 wurden die Vorlande von Tirol ge­trennt. Der Breisgau und die Ortenau wur­den mit Schwäbisch-Österreich und Vorarlberg zu einer ein­heit­lichen Provinz „Vorderöster­reich“ zu­sam­men­ge­fasst. In den folgenden 40 Jahren wurde Vor­der­österreich zu einer mus­ter­gültig verwalteten Provinz.
Vorderösterreich war wie auch das Erzherzogtum Österreich vom 14. bis ins 19. Jahrhundert Teil des Heiligen Römischen Reiches sowie kurz­zeitig des Kaisertums Österreich.
Inschrift auf dem Stadttor von Bräunlingen
Vorderösterreich war ein Fle­ckerl­tep­pich von Städten und Herr­schaften zwi­schen dem Elsass und Vorarlberg, die alle dem Haus Habs­burg gehörten. Weitere Besitzungen lagen im Breisgau, an der Oberen Donau, am Neckar, am Bodensee bis hin zum Arlberg.
Möglich war eine solch lockeres Gebilde auch nur im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gewesen, weil dieses quasi den Dach­ver­band für eine Unzahl von unabhängigen Kleinstaaten und Territorien bildete.
Älteste Ansicht Günzburgs im Ehrenspiegel des Hauses Österreich
Bis zum Anfang des 19. Jahr­hun­derts ging die Landesherrschaft im Verlauf von etwa 550 Jahren nach und nach – bis auf Vor­arl­berg – von den Habs­bur­gern an andere Inhaber über (ver­schie­de­ne Orte bzw. Kantone der Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nos­sen­schaft, Königreich Frankreich, Bayern, Württemberg und Baden).
Bereits 1799 verlor Österreich die Gebiete südlich des Rheins. Das Fricktal wurde französisches Protektorat, 1802 dann ein Kanton in der Hel­ve­ti­schen Republik, 1803 schließlich ein Teil des Aargaus. 1803 kamen der Breisgau und die Ortenau als habsburgische Sekundogenitur an den Herzog von Modena.

Im Pressburger Frieden von 1805 (am 2. Dezember dieses Jahres hatte Napoleon das vereinigte russisch-österreichische Heer bei Aus­ter­litz vernichtend geschlagen) ver­lo­ren die Habsburger Vor­der­ös­ter­reich vollständig. Die Territorien gingen an Bayern, Baden, Württemberg und Hessen-Darmstadt
Vorderösterreich behielt große stra­te­gi­sche Bedeutung bis zum Ende: Es dienten als Rekrutierungs- und Operationsbasen, Rück­zugs­räume oder Puffer für die Aus­ei­nan­der­set­zungen Habsburgs mit den Eid­ge­nos­sen, im Dreißigjährigen Krieg, mit Frankreich, aber auch Bayern.