Das Wien der ersten Nachkriegszeit kenne ich nur aus den Erzählungen meiner Eltern. Durch diese erschien mir das Ambiente dieses Filmes aber bereits so bekannt, als hätte ich es persönlich miterlebt: die Besatzungszonen, das erzwungene Nebeneinander der Alliierten und der Russen, das zerstörte Wien. Wie aufschlussreich manche Bemerkungen meiner Mutter: „Wir versuchten dann halt, nachdem die dringendsten Hausgemeinschaftsarbeiten (tote Pferde abtransportieren, Straßen säubern, Bomben- und Beschußschäden beseitigen) die Wohnung halbwegs auf Gleich zu bringen. Kein Strom, kein Gas, kein Wasser – komischerweise ging es doch irgendwie.“
Der Film „Der dritte Mann“, innerhalb
von fünf Wochen im Nachkriegs-Wien gedreht, wurde zu einem
Klassiker der Filmgeschichte und machte den britischen Filmregisseur und -produzenten Carol Reed schlagartig weltberühmt. 70 Jahre
nach seiner Entstehung hat der Film nichts von seiner Faszination
eingebüßt. Er zählt zu den Höhepunkten des Kinos im Nachkriegseuropa. Außerdem ist
er ein historisches Dokument der Geschichte Wiens,
eine Momentaufnahme der Stadt in der Anfangszeit des Kalten Krieges.
Graham Greene
Graham Greene,
geboren am 2. Okt. 1904 in Berkhamsted (Großbritannien), gestorben am 3. April
1991 in Vevey (Schweiz) war ein britischer Schriftsteller.
Der Ex-Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes gilt als
der Autor von Weltruf mit den meisten Nominierungen überhaupt
für den Literaturnobelpreis, den er aber nie erhielt.
Orson Welles
George Orson Welles, geboren
am 6. Mai 1915 in Kenosha, Wisconsin (USA), gestorben am 10. Oktober 1985
in Los Angeles, war ein US-amerikanischer Regisseur,
Schauspieler und Autor. Er gilt er als einer der künstlerisch einflussreichsten
Regisseure des Hollywood-Kinos. Sein erster Film, Citizen
Kane, wird vielfach als der bedeutendste Film der Filmgeschichte
bezeichnet.
Drei Dinge machen den Film
zum unauslöschlichen Eindruck:
Zum einen das Wien der unmittelbaren Nachkriegszeit, eine Stadt, in der sich die ganze Verrücktheit dieser Zeit widerspiegelt, mit der eigentümlichen, bedrückenden Atmosphäre von Besetzung und Unsicherheit, von Not und Nachkriegsunmoral.
Zum anderen die expressionistischen Licht-und-Schatten-Bilder der dunklen, engen Gassen in dem vom Krieg verwüsteten Wien.
Im Wien der Nachkriegszeit (ein Foto meines Vaters Eduard Zillich)
„Last but not least“ die Zithermusik und das bewegende Motiv des Harry-Lime-Thema.
Eine Musik, die mir bereits bei den ersten Takten durch Mark und Bein ging. Zu dieser Filmmusik kam der Regisseur Carol Reed nur durch einen Zufall. Er besuchte eines Abends ein Wiener Weinlokal, in dem er den bisher unbekannten Zitherspieler Anton Karas spielen hörte. Reed wusste, dass diese Art von Musik die ideale Filmmusik für seien Film wäre, und setzte sie gegen den Willen der Studiobosse durch. Der Zitherspieler Anton Karas wurde für den Rest seines Lebens berühmt.
In merkwürdiger Umkehrung der Verhältnisse ist
der Film „Der dritte Mann“ nicht etwa ein Film zum
Buch, denn „Der dritte Mann“ ist beides: Buch und
Film. Der übliche Gegensatz zwischen literarischer Vorlage
und Verfilmung greift hier nicht. Sowohl das Drehbuch als
auch der Roman stammen von Graham Greene, der den Roman quasi
als eine Art Filmvorlage schrieb, die Carol Reed verfilmte.
„Der dritte Mann“ (Trailer)
Wie Greene im Vorwort
zu seinem gleichnamigen Roman schreibt, wurde er „nicht
geschrieben, um gelesen zu werden, sondern um gesehen zu werden“.
Als Alexander Korda bei Greene anfragte, ob er für Carol Reed ein Drehbuch schreiben könne, hatte Greene nur einen ersten Absatz anzubieten: „Vor einer Woche
hatte ich Abschied von Harry genommen, als sein Sarg in die
im Februarfrost erstarrte Erde hinabgelassen wurde. Ich traute
also meinen Augen nicht, als ich ihn in London im Menschengewühl
des 'Strand' ohne ein Zeichen des Wiedererkennens an mir vorübereilen
sah.“ Korda gefiel die Idee, wollte sie aber ins Wien der Nachkriegszeit versetzt haben.
Die ökonomische und die soziale Situation im besetzten
Wien werden im Film präzise dargestellt und meisterhaft
von Kameramann Robert Krasker in eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Bildern
eingefangen.
Exzellent ist auch das Schauspielerteam mit Orson Welles als Herry Lyme, Joseph Cotten als Holly Martins, Alida Valli als Anna Schmidt, Trevor Howard als Major Calloway und vielen anderen, das
dem Film einen unverwechselbaren
Touch gab.
Handlung
Das Riesenrad im Prater, eine
der Kulissen des Films
Der amerikanische Schriftsteller Holly Martins beabsichtigt, im geteilten
Nachkriegs-Wien des Jahres 1948 seinen Freund Harry Lime besuchen.
Zunächst glaubt Martins, dieser sei tot, er soll bei
einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sein, erfährt
er. Etwas stutzig beginnt er mit eigenen Recherchen. Bald fällt ihm auf, dass fast alle an jenem Unfall Beteiligten
Bekannte von Harry Lime waren. Ein Zeuge des Unfalls, der arglos von einem der Polizei nicht bekannten, an dem Unfall beteiligten „dritten Mann“ berichtet, wird kurz darauf ermordet.
Bei seinen Nachforschungen
lernt Martins auch Limes Lebensgefährtin Anna kennen,
die sich als Schauspielerin durchschlägt, und verliebt
sich in sie, obwohl sie weiterhin Harry zu lieben glaubt. Anna lebt mit gefälschten Papieren
in Wien. Sie kommt in Wirklichkeit aus Ungarn und die sowjetische Besatzungsmacht ist hinter
ihr her.
Als Martins nachts von einem Unbekannten
verfolgt wird, stellt er fest, dass sein Verfolger niemand anderer
ist als der tot geglaubte Freund Harry Lime. Der britische Major
Calloway weiht daraufhin Martins in die Verbrechen ein, deren
Harry Lime beschuldigt wird: Handel mit gestohlenem Penicillin,
das gestreckt – und damit unbrauchbar – wird und auch zu Hirnhautentzündung bei
Kindern führen kann. Ein Besuch in einer Kinderklinik
mit solchen Fällen überzeugt letztlich Martins.
Soundtrack „Der dritte Mann“
So stellt sich Martins der Polizei zur Verfügung, um Harry Lime aus der russischen Besatzungszone
in den Westen zu locken. Es folgt eine Verabredung in einem Kaffeehaus
und eine spannende Verfolgungsjagd im weitverzweigten (alle vier Sektoren Wiens verbindenden) Kanalsystem ...
Wenn die Handlung des Films auch noch so fiktiv ist, so dokumentiert aber "Der Dritte Mann" das Nachkriegs-Wien so detailgetreu wie kein anderer Film. Er ist das ideale Medium, um die Geschichte des Nachkriegsösterreich während der Besatzungszeit (1945 bis 1955) zu verstehen.
Dabei wollte Graham Greene die Geschichte ursprünglich in Rom oder Paris spielen lassen – erst über den Produzenten Alexander Korda kam er auf die Idee, die Handlung nach Wien zu verlegen.
Orson Welles ließ sich nur von einer Gage von 100.000 Dollar überreden, die Rolle des zwielichtigen Harry Lime zu übernehmen. Von den sieben Wochen, in denen gedreht wurde, war er nur zwei Wochen vor Ort. Auch ließ er sich in vielen der dunklen Szenen von einem Double vertreten. Bei den Szenen im Kanalsystem fühlte sich Welles so sehr durch den Gestank gestört, dass er trotz des Einsatzes von Parfum nicht mehr als einen Tag unter der Erde drehen wollte. So musste sein Double immer wieder einspringen, um den durch Gewölbe und Schächte hetzenden Ganoven zu spielen.
Bei den Sequenzen auf den nächtlichen Straßen „bewässerte“ eine Feuerwehr-Mannschaft ständig das Kopfsteinpflaster, um eine dramatischere Lichtstimmung zu erzeugen.
Erscheinungsjahr
1949
Originaltitel
“ The third man“
Stab
Regie: Carol Reed, Drehuch: Graham Greene, Kamera: Robert Krasker, Musik: Anton Karas, Produzent: David O. Selznick,
Alexander Korda
Darsteller
Joseph Cotten als Holly Martins, Alida Valli als Anna Schmidt, Orson Welles als Harry Lime, Trevor Howard als Major Calloway, Paul Hörbiger als Hausmeister, Ernst Deutsch als Baron Kurtz, Erich Ponto als Dr. Winkel, Siegfried Breuer als Popescu.
Auf den Spuren eines Filmklassikers
Es gibt
Führungen auf den Spuren des Films durch die kopfsteingepflasterten,
gewundenen Gässchen der Wiener Altstadt. Es werden dabei
die wichtigsten Drehorte, wie beispielsweise der
Wienfluss-Ttunnel, besucht und viel über die spannende, grenzüberschreitende Entstehungsgeschichte
des Films erzählt, aber auch über das „andere
Wien“ der Kriegsruinen, der alliierten Besatzungsmächte,
des Schwarzmarkts und der Ost-West Spionage.
Bei der Dritte-Mann-Tour – Kanal geht es über die Original-Filmtreppe hinunter in einen der ältesten Teile der Wiener Kanalisation. Die so genannten Cholerakanäle wurden in den 1830er Jahren errichtet und sind bis heute nahezu unverändert geblieben.
Um zu verstehen, weshalb Wiens Kanalisation in Wien (und deshalb im Film) so eine große Rolle spielt, muss man wissen, dass während der Besatzungszeit Wien noch in vier Sektoren geteilt war. Durch die verzweigten Abwässertunnels konnten Spione jeglicher Couleur unerkannt von einer Besatzungszone in die andere huschen.
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"Der Dritte Mann" wurde im Jahr 2000 vom Britischen Film-Institut zum besten Film des 20. Jahrhunderts gewählt.
Der Dritte Mann/ Fünfzig Jahre Kinopremiere(Anton Karas)
Wien – früher und heute
Die Sowietische Besatzung in Österreich 1945-1955